Metzler Ratings
LV Qualitätsrating 2025
Wie sicher und renditestark sind die deutschen Lebensversicherer?
Metzler Ratings hat – wie in den Vorjahren – die Bilanzen der 28 größten deutschen Lebensversicherer für das Geschäftsjahr 2024 untersucht. Das Ziel der Studie: Herauszufinden, ob die Gesellschaften den Anforderungen eines im Umbruch befindlichen Zinsumfelds gewachsen sind. Die Ergebnisse dieses Qualitätsratings zur Sicherheit und Ertragsstärke: Bei sechs Versicherern bestehen derzeit große Sicherungslücken. Nur drei Unternehmen sind bestens aufgestellt: Mit einem Rating von AAA landete die WWK – wie im Vorjahr – auf dem ersten Platz, gefolgt von Victoria und Hannoversche, die beide ein Rating von AA+ erreichten.
Erst tief hinab ins Tal der Tränen, dann schnell hinauf in schwindelnde Höhen, nur um anschließend fast genauso schnell wieder auf ein mittleres Niveau abzusinken. So lässt sich die Entwicklung des EZB-Einlagenzinses in den letzten knapp 20 Jahren zusammenfassen. Von Anfang 2008 bis Mitte 2022 kannte er nur eine Richtung: nach unten bis auf minus 0,5 Prozent. Dann schoss er bis Herbst 2023 auf vier Prozent in die Höhe – so hoch wie nie zuvor in der EZB-Geschichte. Doch seither ging es wieder bergab. Aktuell liegt der Einlagenzins bei 2,00 Prozent. Und er könnte bis Jahresende sogar bis auf 1,75 Prozent sinken, erwarten Zins-Experten.
Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Denn die EZB kann mit ihren Zinsentscheidungen lediglich die kurzfristigen Zinsen direkt beeinflussen. Für die langfristigen Zinsen – und die sind für Lebensversicherer ausschlaggebend – sind andere Faktoren wichtiger. Etwa die Höhe der Staatsverschuldung. Je höher die Staatsschuldenquote, desto höher das Risiko eines Zahlungsausfalls von Staatsanleihen. Und dieses Risiko lassen sich Investoren durch höhere Zinsen vergüten.
„Die Rekordschulden des Bundes und die insgesamt billionen-schweren Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur treiben die Staatsschulden und damit die langfristigen Zinsen“, sagt Dr. Marco Metzler, Gründer und Chef des auf Versicherer spezialisierten Rating-Instituts Metzler Ratings GmbH. Er erwartet, dass die langfristigen Zinsen weiter steigen. Und das nicht nur in Deutschland. „In Frankreich liegt die Schuldenquote aktuell bei 115 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und das Haushaltsdefizit ist mit 5,8 Prozent das höchste der EU“, erläutert Dr. Metzler. „Da überrascht es nicht, dass Frankreich innerhalb der Eurozone die höchsten Zinsen auf seine Staatsanleihen zahlen muss.“
Und in den USA kämpft Präsident Trump gegen völlig aus dem Ruder laufende Staatsschulden. „So gibt die US-Regierung etwa 30 Prozent mehr aus, als sie einnimmt”, weiß Dr. Metzler. „Um dieses Defizit zu finanzieren, müssten die USA zwölf Billionen Dollar an Schulden aufnehmen“, fährt er fort. Doch so hoch ist aktuell die Nachfrage nach US-Staatsanleihen nicht – also müssten sie langfristig mehr Zinsen bieten als bisher.
Alles in allem ist das laut des Experten ein äußerst günstiges Umfeld dafür, dass weltweit die langfristigen Zinsen deutlich steigen. Und genau das wird zum Problem der Lebensversicherer.
Doch wieso sind steigende Zinsen ein Problem für die Lebensversicherer? Müssten sie nicht vielmehr von steigenden Zinsen profitieren, da branchenweit etwa 80 Prozent des verwalteten Kapitals in Anleihen stecken? Die Antwort: Das kommt auf den Versicherer an. „Grundsätzlich ist der Zinsanstieg positiv zu bewerten. Allerdings trifft er Versicherer hart, die hohe stille Lasten haben.“
Steigen nämlich die Zinsen neu emittierter Anleihen, sinken spiegelbildlich die Kurse bereits länger am Markt befindlicher Anleihen, bis deren Rendite das Niveau der Neuemissionen erreicht hat. Da die Versicherer während der mehr als zehn Jahre dauernden Niedrigzinsphase gezwungen waren, in niedrig bis gar nicht verzinste Anleihen zu investieren, hat die Branche jetzt Milliarden und Abermilliarden in Papieren zu stecken, die kaum Zinsen abwerfen und deren Kurse deshalb im Keller sind und in den Bilanzen der Versicherer schlummern. Stille Lasten eben.
Rating-Spezialist Metzler skizziert die Situation so: „Während der Niedrigzinsphase hatten sich bei den deutschen Lebensversicherern bis Ende 2021 stille Reserven von 155 Milliarden Euro angehäuft. Durch die abrupte globale Zinswende wurden daraus nur ein Jahr später stille Lasten von rund 105 Milliarden Euro.“ Nach temporären Zinssenkungen konnten die Lebensversicherer ihre stillen Lasten bis Ende 2023 auf rund 75 Milliarden Euro drücken. „Doch nun treiben die geplanten Milliardeninvestitionen auch die langfristigen Zinsen wieder.“ Die Folge laut Dr. Metzler: Die stillen Lasten stiegen branchenweit inzwischen wieder auf geschätzt rund 85 Milliarden Euro.
Doch ist die Lage von Versicherer zu Versicherer, wie schon im Vorjahr, völlig unterschiedlich. So haben einige Unternehmen wie die WWK und die Hannoversche ihre Hausaufgaben gemacht. In ihren Bilanzen schlummern keine stille Lasten mehr, sie haben vielmehr stille Reserven in ihren Bilanzen. Andere Versicherer wie Gothaer, Württembergische, Cosmos, LVM und LPV weisen in ihren Jahresabschlüssen für 2024 hingegen stille Lasten von knapp 15 Prozent bis mehr als 22 Prozent aus. (Eine Übersicht zu stillen Lasten und weiteren Kennzahlen deutscher Lebensversicherer finden Sie unter www.metzler-ratings.com/kennzahlen.)
Die Krux für Versicherer mit hohen stillen Lasten: „Ihre Anlagen werfen unterm Strich kaum Rendite ab. Sie müssten also entweder die Kursverluste realisieren – also die Alt-Anleihen verkaufen – um den Erlös in höher rentierliche Papiere zu stecken. Das würde jedoch die sowieso schon niedrige Rendite ihrer Policen zunächst noch weiter senken. Und das deutlich. Oder die Versicherer müssten viele neue Verträge abschließen und das Geld aus diesem Neugeschäft in höher verzinste Anlagen stecken. Doch das Neugeschäft stottert schon das dritte Jahr in Folge, weil Lebensversicherungen bei vielen Gesellschaften kaum noch eine reale Rendite abwerfen. Wurde 2019 bis 2021 jeweils Neugeschäft von rund 100 Milliarden Euro geschrieben, waren es in den Jahren 2022 bis 2024 gerade mal zwischen 89,1 und 91,8 Milliarden Euro. Und da beißt sich dann die Katze in den Schwanz: Kaum Rendite, kaum Neugeschäft. Kaum Neugeschäft, kaum Geld zum Kauf höher verzinster Anlagen. Kaum höher verzinste Anlagen, kaum Rendite.
Übrigens: 2024 lag die Nettoverzinsung branchenweit bei etwa 2,4 bis 2,6 Prozent. Und das bei einer Inflation von 2,2 Prozent. Reale Rendite sieht anders aus. „Allerdings ist die Situation bei jedem Versicherer anders“ weiß Dr. Metzler. „Daher ist ein genauer Blick in deren Bilanzen unerlässlich – dabei sollten insbesondere die vorhandenen Sicherungsmittel und die (zukünftige) Ertragskraft im Fokus stehen.“
Auf Basis der Jahresabschlüsse 2024 der 28 größten deutschen Lebensversicherer hat Metzler Ratings daher Kennzahlen wie Substanzkraft, Bewertungs- und Zinszusatzreserve sowie Netto-Rendite analysiert. Im nächsten Schritt wurden dann für das Qualitätsrating zur Sicherheit und Ertragsstärke der Lebensversicherer – in unterschiedlicher Gewichtung – Sicherungsmittel und (künftige) Ertragskraft bewertet. Diese beiden Bewertungen bündelte Metzler Ratings anschließend zu einer Gesamtnote von 1,0 bis 7,0. Zu guter Letzt wurden jeweils fünf benachbarte Zehntelnotenstufen in speziellen Sicherheitsratings von AAA (beste Wertung) bis hin zu C (schlechteste Wertung) zusammengefasst. Diese Sicherheitsratings sind übrigens nicht mit üblichen Bonitätsratings für Investoren und/oder Anleger identisch.
Die Studie ergab – wenig überraschend: Bei Versicherern mit hohen stillen Lasten liegt die Netto-Rendite deutlich unter dem Durchschnitt. Hingegen sind die Netto-Renditen von Versicherern ohne stille Lasten stark überdurchschnittlich. So erwirtschaftete etwa die WWK 2024 eine weit überdurchschnittliche Nettorendite von 3,7 Prozent.
Nicht zuletzt deshalb konnte sich die WWK wie schon in den Vorjahren auch diesmal mit einem Triple A-Rating (AAA) und der Note 1,0 erneut an die Spitze des Teilnehmerfeldes setzen. „Die WWK ist aus unserer Sicht damit am besten für künftige Zinsentwicklungen gerüstet“, erläutert Studienleiter Dr. Metzler. Mit Ratings von AA+ und der Note 1,5 folgen auf den Plätzen zwei und drei die Lebensversicherung Victoria, die sich jedoch im Run off befindet und daher kein Neugeschäft mehr betreibt, sowie der Direktversicherer Hannoversche. Am unteren Ende der Rangliste landeten Generali Deutschland, Zurich, Gothaer, Cosmos, LVM und LPV (vormals PB Leben). Diese sechs Lebensversicherer können selbst unter Hinzurechnung der Zinszusatzreserve ihre jeweiligen stillen Lasten nicht ausgleichen. Die Quote ihrer Sicherheitsmittel liegt unter null. (Siehe dazu auch die Tabellen auf Seite 5.)
Unterm Strich zeigt das: Die Spanne bei den Versicherern ist immer noch mehr als deutlich: Es gibt Versicherer, die für schwierige Zeiten sehr gut gerüstet sind, während andere Schwierigkeiten bekommen könnten und das insbesondere dann, wenn die Realverzinsung der Verträge – also unter Berücksichtigung der Inflation – schon jetzt negativ ist.
„Wer eine klassische kapitalbildende Lebensversicherung abgeschlossen hat, sollte jedoch mit Hilfe unserer Studie leicht herausfinden können, ob sein Versicherer gut für schwierige Zeiten gewappnet ist“, sagt Dr. Metzler.Wer dagegen mit dem Gedanken spiele, eine kapitalbildende Lebensversicherung abzuschließen, sei gut beraten, bei der Auswahl des Versicherers auf dessen Finanzstärke und Ertragsstärke zu achten, wie sie im LV-Qualitätsrating abgebildet werden. „Das heißt: Das Unternehmen sollte in unserer Studie mindestens ein gutes Qualitätsrating erhalten haben“, empfiehlt Institutsleiter Metzler.